Einen ETF nachbauen? Lohnt sich das denn? (Nein)

Zu einem gewissen Zeitpunkt im Börsenleben eines jeden ETF-Investors poppt bei jedem stets die gleiche Frage im Kopf auf:

Kann ich mir nicht selbst einen ETF nachbauen und die Total Expense Ratio (TER) bzw. Tracking Difference sparen?

Schließlich ist die Kosten niedrig zu halten so ziemlich das Einzige, was wir aktiv für unseren Erfolg an der Börse tun können, nicht wahr?

Das ist eine ausgesprochen kluge Frage. Sehen wir uns mal an, was es dazu braucht und ob es überhaupt sinnvoll ist.

Warum sollte ich überhaupt einen ETF nachbauen wollen?

Einer der wahnsinnig großen Vorteile von ETF sind bekanntermaßen die niedrigen Kosten. Große Indizes wie den S&P 500 gibt es teilweise schon ab 0,09%. Ja, richtig gelesen. Aber auch weniger bekannte Indizes wie der STOXX Europe 600 sind mit 0,20% p.a. gravierend billig. Dagegen erscheinen beispielsweise 1,0% für einen aktiv gemanagten Fonds, was für diese Art von Fonds sowieso schon “günstig” ist, bereits astronomisch hoch.

Weiterhin sagt uns die Wissenschaft, dass auf Dauer aktive Fonds den Markt nicht schlagen werden. Man zahlt bei einem aktiven Fonds also einen höheren Preis für ein (hoffentlich) gleichwertiges Produkt im Vergleich zu einem ETF, der, wenn er breit streut, auf jeden Fall die Marktrendite liefern wird.

Um die Konsequenzen dieser Fakten zu verdeutlichen, sehen wir uns erst einmal einen fiktiven Sparplan an:

Jährliche Sparleistung: 6.000€ (500€ pro Monat)

Kaufrhythmus: Jährlich

Nettorendite mit ETF: 5,00%

Nettorendite mit aktiven Fonds: 4,00%

Dauer: 20 Jahre

etf-vs-aktiver-fonds

Wir sehen, mit ETF im Portfolio stehen wir am Ende um rund 20.000€ besser da, einfach nur, weil wir auf unsere laufenden Kosten geachtet und uns für ein günstigeres aber gleichwertiges Finanzprodukt entschieden haben.

Da Kosten auf lange Sicht eben so einen signifikanten Einfluss haben, liegt es nahe, eben diese durch einen Nachbau eines ETF weiter zu drücken. Jede Nachkommastelle zählt schließlich, oder nicht?

Nehmen wir jetzt einmal an, statt in einen ETF von der Stange zu investieren, wird sich selbst ein ETF nachgebaut. Dadurch schaffen wir es, die Kosten für unser Portfolio um rund 0,30% zu senken. Das ist meiner Meinung nach, eine realistische TER für ein normales ETF Portfolio.

Dadurch erhöht sich unsere Nettorendite auf 5,30% und bei gleich bleibenden Annahmen von weiter oben, verbessert sich unser Endergebnis dementsprechend.

etf-vs-aktiver-fonds-vs-etf-nachbau

Okay, wenn wir es schaffen, uns ETF nachzubauen, dann kann das auf unser Endvermögen also einen Unterschied von 6.408€ haben. Das ist nicht gerade wenig Geld.

Wie kann ich einen ETF nachbauen?

Bevor wir uns ansehen, ob es betriebswirtschaftlich überhaupt sinnvoll ist einen ETF nachzubauen, sehen wir uns zunächst einmal an, ob und wie wir das denn eigentlich bewerkstelligen könnten.

Was braucht es für Zutaten, um einen ETF selbst zu bauen?

1. Einen Index

Das Herzstück eines jeden ETF ist bekanntermaßen ein Index, welcher getrackt wird. Die Zusammensetzung großer Indizes ist frei im Internet verfügbar und leicht nachzuverfolgen.

Für unsere Zwecke reichen auch verzögerte Kurse. Wir müssen also nicht teuer einen Realtime-Index lizensieren oder uns ein Bloomberg-Terminal holen.

2. Einen Fondsmanager

Das meiste läuft bei einem Fonds heutzutage vollelektronisch und der Faktor Mensch ist weitestgehend eliminiert. Trotzdem braucht es nach wie vor einen Verantwortlichen, der darauf achtet, dass alles seine Richtigkeit hat.

Dieser jemand bist ab sofort du selbst.

3. Ein Berichtswesen

Neben einem Manager, welcher alle notwendigen Aktivitäten koordiniert, braucht es auch jemanden, der stetig analysiert und auswertet ob alles in Ordnung ist, inwiefern die Fondszusammensetzung demnächst angepasst werden muss und wie man sich zum Vergleichsindex schlägt.

Vieles davon lässt sich ebenfalls automatisieren, aber eben auch nicht alles. Daher musst du dir beim ETF nachbauen auch dessen bewusst sein, dass du ab sofort all diese Aufgaben in Personalunion erledigen und verantworten wirst.

4. Einen Steuerberater

Da die Länder, in denen ein Unternehmen seinen Sitz hat, eine sogenannte Quellensteuer auf Dividenden kassieren, brauchst du steuerliches Know-How, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden. Denn auf die bereits im Ausland versteuerten Ausschüttungen will der deutsche Fiskus sonst ebenfalls seine Abgeltungsteuer.

Durch (teilweise) Anrechenbarkeit der ausländischen Quellensteuer und mittels viel Papierkram lässt sich das aber vermeiden.

Hier hast du nun also die Qual der Wahl, ob du das selbst erledigen willst beziehungsweise kannst, oder ob du das gegen entsprechende Gebühr an einen Steuerberater auslagerst.

Welche Gründe gibt es, die für einen ETF Nachbau sprechen?

1. Wenn wir einen ETF nachbauen, können wir signifikant Geld sparen

Da es um lange Zeiträume geht und dementsprechend hohe Summen, die sich da zusammenläppern, kann die Ersparnis schnell ein paar Tausend Euro betragen.

2. Keine Wertpapierleihe und keine Swappartner

Dauerbrenner unter Anlegern, wenn es um das Thema ETF geht, sind die Wertpapierleihe (bei physischen Replizierern) und die Swappartner (bei synthetischen Nachbildern).

Da dies umfangreiche Themen für sich sind, will ich hier auch gar nicht näher darauf eingehen. Nur so viel: Beide sind nicht so dramatisch wie viele glauben.

Trotzdem wäre es definitiv ein Vorteil eines selbst nachgebauten ETF, diese beiden Themen, ob dramatisch oder nicht, komplett ignorieren zu können.

3. Es fühlt sich “realer” an

Ich hab eine Hypothese, die besagt, dass viele Vorbehalte gegenüber ETF daher rühren, dass eine Art zusätzliche Zwischenstufe zwischen Anleger und Unternehmen steht.

Das vermittelt psychologisch den Eindruck von mehr Unsicherheit, denn eine Stufe mehr bedeutet auch mehr notwendiges Überprüfen von Fakten und Tatsachen (welcher ETF ist geeignet, sind ETF sicher, was muss ich beachten, etc.).

Wenn man hingegen direkt in Unternehmen investiert, kann es sich daher “wirklicher” anfühlen.

Ein weiteres Argument ist Folgendes:

Wenn ich beim ETF Nachbauen alle Titel einzeln kaufen muss, dann lerne ich vermeintlich alle Unternehmen in einem Index kennen. Das kann das Vertrauen in das eigene Handeln bestärken und motivierend wirken.

Warum das Nachbauen eines ETF sich für dich trotzdem nicht lohnt

Auch wenn es viele gute Gründe für das Nachbauen gibt, so gibt es noch bessere es zu lassen

1. Transaktionskosten, Transaktionskosten, Transaktionskosten

Der offensichtlichste Grund einen ETF von der Stange zu nehmen ist, dass uns bei den Beträgen, um die es bei uns normalerweise geht, die Transaktionskosten bei lebendigem Leibe auffressen würden.

Ein Beispiel:

Nehmen wir an, wir legen jeden Monat 1.000€ zurück und am Ende des Jahres investieren wir gesammelt alles Ersparte in einen ETF. Das tun wir, um möglichst wenige Transaktionen mit unserem Sparplan zu verursachen. Wir investieren ferner lediglich in einen selbst gebauten ETF auf den S&P 500. Daher müssen wir theoretisch 500 Transaktionen durchführen. Wenn wir einen guten Broker mit 5€ flat pro Transaktion haben, dann bedeutet das Transaktionskosten von insgesamt mehr als 2.500€ auf 12.000€ Sparsumme.

Selbst wenn wir lediglich einen S&P 500 “light” mit den 250 größten Bestandteilen nachbauen, so haben wir bereits absurd hohe Transaktionskosten in Höhe von 1.250€.

Dass selbst dieses optimistische Szenario absolut keinen Sinn macht dürfte uns allen klar sein.

Jetzt stell dir vor, du möchtest monatlich mit 500€ drei ETF der Marke Eigenbau besparen. Oder dein Portfolio rebalancen. Oder den Index wechseln. Oder, oder, oder.

2. Quellensteuer

Was viele Anleger, so glaube ich, ganz gern vergessen, ist, dass es nicht so einfach ist, selbstständig ausländische Aktien zu kaufen und zu halten. Der Grund hierfür ist die sogenannte Quellensteuer.

Diese Steuer auf Dividenden wird direkt von dem Land, in welchem das Unternehmen seinen Sitz hat, eingecasht. Sie kann zwar in deinem eigenen Land angerechnet werden, aber nicht immer in voller Höhe und nur mit Hilfe von zusätzlichem Papierkram.

Mein Gott, ich hasse Papierkram und ich schätze mal, dir geht es genauso.

Ich will nicht, dass es beim Geldanlegen etwas gibt, das mir den Spass daran verdirbt. Es soll Freude bereiten, sich damit zu beschäftigen. Also bin ich froh, dass ein Fonds mir diese lästige Aufgabe abnimmt und ich ohne all zu viel darüber nachdenken zu müssen, in praktisch jedem Land der Erde investieren kann.

3. Updates des Index

Es kommt immer mal wieder vor, dass Unternehmen aus einem Index fliegen und dafür neue hinzukommen. Das führt dazu, dass bestimmte Positionen verkauft und andere dafür gekauft werden müssen. Auch das führt wiederum zu Transaktionskosten. Die hat ein ETF von der Stange auch, aber da dieser mit großen Volumina zu tun hat, sind diese hier vernachlässigbar. Bei unserem ETF Nachbau hingegen, würden diese, gemessen am Handelsvolumen, wieder sinnlos hoch ausfallen.

Ab wieviel Vermögen lohnt sich das ETF Nachbauen betriebswirtschaftlich?

Das lässt sich bedauerlicherweise nicht ganz genau sagen, aber wir können zumindest einen educated guess wagen, indem wir die notwendigen Parameter annehmen. Ich gehe dazu jetzt so vor, dass ich erstmal versuche, die Kosten abzuschätzen und anhand derer anschließend die notwendige Ersparnis rückrechne.

Ich gehe davon aus, …

  • … dass das Portfolio bereits vorhanden ist und nicht erst gebildet werden muss. Initiale Transaktionskosten entfallen somit.
  • … dass wir 500 Positionen zu managen haben. 400 davon im Ausland mit entsprechendem Papieraufwand.
  • … durch eine Nachbildung eine Ersparnis von 0,30% pro Jahr zu erzielen.
  • … pro ausländischem Wertpapier einen Zeitaufwand für Steuerkram in Höhe von 15 Minuten pro Jahr zu haben.
  • … dass man sich jegliche ausländische Quellensteuer wieder zurückholen kann.
  • … dass die Kosten für einen Steuerberater beziehungsweise für deine Zeit jeweils 30€ pro Stunde betragen.
  • … dass eine halbe Stunde pro Woche für das Monitoring deiner ETF Nachbildung notwendig ist.
  • … dass 10 Transaktionen pro Jahr nötig sind, um die Zusammensetzung zu korrigieren. Dabei gehe ich von 5€ Flat pro Transaktion aus, was eher unrealistisch optimistisch ist.

Unter diesen Annahmen entstehen folgende Kosten für unseren DIY-ETF:

400 ausländische Wertpapiere x 0,25h x 30€ = 3.000€

0,5h x 52 Wochen x 30€ = 780€

10 Transaktionen x 5€ = 50€

Insgesamt ergibt das jährliche, laufende Kosten in Höhe von 3.830€.

Wenn die jährliche TER-Ersparnis gegenüber einem vergleichbaren ETF von der Stange 0,30% beträgt, dann erreichen wir ab folgendem Vermögen Break-Even:

3.830€ / 0,003% = 1.276.667€

Das heißt, wir müssen mehr als rund 1,3 Millionen Euro an Depotvermögen mitbringen, bevor wir unter obigen Annahmen anfangen, Geld durch wegfallende, laufende Kosten zu sparen.

Je nach dem, wie wir die Annahmen variieren, so verändert sich natürlich auch das notwendige Mindestvermögen, ab dem es betriebswirtschaftlich Sinn macht.

Da wir anfängliche Kosten komplett ignorieren und auch bei unseren Annahmen eher optimistisch für eine ETF Nachbildung kalkulieren, ist unser obiges Ergebnis, meiner Meinung nach, eher noch deutlich zu niedrig ausgefallen.

Ergebnis: Bei weniger als einem mittleren siebenstelligen Vermögen ist es unwahrscheinlich auch nur den Break-Even zu knacken. Meiner Ansicht nach ist es erst ab achtstelligen Vermögen überhaupt eine Überlegung wert, gewisse Dinge der Vermögensverwaltung inhouse zu erledigen.

Das zeigt schön, wie sehr ETF die Börse demokratisiert haben. Jetzt können auch wir kleine Privatinvestoren ein professionell diversifiziertes Portfolio mit sinnvoller, weil niedriger, Kostenstruktur halten.

Wenn das mal kein Fortschritt ist, dann weiß ich auch nicht mehr weiter.

ETF-Anbieter arbeiten hart für ihr Geld

Unsere Überlegungen und Berechnungen zeigen außerdem sehr schön, dass die Anbieter von ETF eine Menge tun für ihre TER. Davon werden Steuerfachleute, die organisatorische Verwaltung, Depotbanken und noch vieles mehr bezahlt.

Vieles davon sind Themen, mit denen ich mich nicht gerne beschäftige und du wahrscheinlich auch nicht. Ich bin froh, für gerade einmal 0,2% im Jahr oder wie viel auch immer, diese Dinge von waschechten Profis erledigen lassen zu können.

Das lässt mir einen freien Kopf, mich mit den wirklich wichtigen Dingen zu beschäftigen.

Vor diesem Hintergrund sollte man bei der im Internet üblichen Jagd nach den günstigsten ETF und der letzten Nachkommastelle Ersparnis auch nicht vergessen, dass der Preis nicht immer das einzige Entscheidungskriterium sein sollte.

Die Qualität muss schließlich auch passen.

Fazit: ETF Nachbauen rentiert sich in der Regel nicht

Einen ETF nachzubauen erscheint auf den ersten Blick einfach, lukrativ und clever.

Was wir aber gerne vergessen, ist, dass wir für unsere Kosten auch verdammt viel Gegenleistung erhalten. Angefangen damit, dass wir mittels ETF nun eine so große Anzahl an Aktien günstig kaufen und halten können, wie es früher sonst nur High-Net-Worth Individuals möglich war.

Auch erledigt ein ETF das leidige Thema Quellensteuer auf eine so bequeme und vor allem günstige Art und Weise, dass wir uns mit normal großen Vermögen dahingehend geographisch nicht mehr einschränken müssen.

Das sind meiner Ansicht nach, die beiden wichtigsten Gründe von vielen.

Einen ETF nachzubauen lohnt sich in den meisten Fällen schlicht nicht. Erst ab sehr, sehr großen Vermögen kann es betriebswirtschaftlich Sinn machen, sich eine eigene Lösung zu konstruieren. Aber auch dann würde ich mir überlegen, ob ich mir das tatsächlich antun möchte.

Mir stellt sich die Frage, ob man sich in diesen Vermögensdimensionen wirklich für ein “paar Kröten” Ersparnis noch mit solchen Themen auseinandersetzen möchte, oder das ganze nicht einfach kostengünstig outsourced und die Liebste oder den Liebsten mit der gesparten Zeit schick zum Essen ausführt. Weil Geld hat man dann ja schon.

Langer Rede, kurzer Sinn:

Einen ETF nachbauen? Rentiert sich in 99,5% aller Fälle nicht.

Ich würde gerne deine Meinung dazu wissen: Empfindest du die TERs deiner ETF als gerechtfertigt? Wenn nein, warum nicht? Die Kommentare sind offen!

Mein Net Worth im April 2022:
253.000 €

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